Terrakotta wie damals

• Herausforderungen renaissancezeitlicher Terrakotta-Pflege (Folge 1)
• Wichtigkeit von Ofen & Holz (Folge 2)
• Modelieren & Forschungserkenntnisse (Folge 3)

Der Arkadenhof der Schallaburg ist eines der Schmuckstücke des Renaissanceschlosses. Rund 1.600 einzelne Terrakotten wurden hier mit großem Aufwand im 16. Jahrhundert verbaut. Sepp Uiberlacher ist Restaurator und steckt jede Menge Herzblut in die Erforschung der alten Technik der Terrakotta.

Sepp Uiberlacher: Terrakotta heißt gebrannte der Erde. Also einfach Ton, der gebrannt ist. 
Voice Over: Um die Zukunft zu sichern erforscht er die Vergangenheit.
Sepp Uiberlacher: Unsere Zielsetzung für die Zukunft ist, wenn man drinnen (im Arkadenhof) irgendwelche Teile austauschen möchte, dass man das aus echter Terrakotta machen kann.
Voice Over: In der Vergangenheit wurde bei Restaurierungen nicht immer Terrakotta verwendet. Das führte zu einer Reihe an Problemen.

Sepp Uiberlacher: Bei den bisherigen Restaurierungen – da war eine große 1906, dann war die nächste 1973 und 2004 – hat man sich immer mit anderen Materialien beholfen. Denn es war nicht überliefert, wie man den Terrakottabrand so hinbekommt. Stattdessen hat man z.B Kunststein genommen oder man hat Gipsrepliken gemacht. Unser Ziel war, dass wir das aus „echter Terrakotta" machen können.
Sepp Uiberlacher: Es wurde deswegen aus Gips gemacht, weil es viel einfacher zum Herstellen war. Besondere Schwierigkeiten lagen daran, dass der Ton beim Brennen schwindet. Deshalb haben sie das Maß nicht richtig berechnen können. Gips-Repliken herzustellen ist deswegen viel einfacher, weil man einfach eine Negativform vom bestehenden Teil abnehmen kann. Diese gießt man dann aus und hat das Positiv.
Voice Over: Leider hat man damals noch nicht denselben Wissensstand wie heute.
Sepp Uiberlacher: Was man nicht bedacht hat war, dass Gips eigentlich für den Außenbereich kein Material ist, das man verwenden sollte. Er wurde dann bei weiteren Restaurierungen noch dazu mit Dispersionsfarbe angemalt, die natürlich alles sperrt. Dahinter kann die Feuchtigkeit dann Schäden verursachen. Wenn man heir schaut sieht man darunter Schimmelpunkte.

Voice Over: Doch die alte Figur, bei welcher diese Fehler passiert sind, wirft Sepp deswegen nicht sofort weg. 
Sepp Uiberlacher: Jetzt habe ich die Möglichkeit den Schimmel zu töten, das Teil entsprechend zu behandeln und zu konservieren. Und dann kann es ausgestellt werden.

Voice Over: Heute macht es das Denkmalamt unmöglich, dass auf der Schallaburg Figuren repliziert werden, die nicht zum Bestand passen. Als die Schallaburg 1906 restauriert wurde, gab es dieses Denkmalamt jedoch noch nicht.
Sepp Uiberlacher: Die hatten eigentlich freie Hand. Die originalen Figuren, die es drinnen gibt, sind in der Renaissance entstanden. Renaissance heißt wiederum: Bei uns die Renaissance ist ein bisschen hinten nachgehinkt. Das heißt wenn man die Figuren bei uns anschaut, haben die noch so ein bisschen einen gotischen Touch. Das heißt, die sind eigentlich ein bisschen ihrer Zeit hinten nach.
Voice Over: Die Figuren die damals ausgetauscht wurden stechen also heraus. Sie entsprechen eher der Formensprache des Jugendstils. 

Voice Over: Sepp repliziert diese Terrakotten also heute in aufwendiger Form selbst, so wie es bereits zur Renaissance gemacht wurde. Aber wie erzeugt man diese Figuren?
Sepp Uiberlacher: Zur Herstellung von Terrakotten gibt's eigentlich zwei Verfahren. Das was wir hier auf der Schallaburg haben, das ist direkt modelliert. Das heißt es ist wirklich aus Ton aufgebaut. Dann lässt man es trocknen, dann brennt man es. 
Das andere Verfahren ist dann eher so im 19. Jahrhundert. Man sieht z.B in Wien auf den ganzen Ringstraßenbauten die vor 1960 erbaut worden sind: All die Ornamentfriese, das ist alles Terrakotta das hat man damals als Laufmeterware in jeder Ziegelei bestellen können. Das wird in eine Negativform gequetscht. Das heißt man hat eine Negativform aus Gips, weil der Gips dann dem Ton ein bisschen die Feuchtigkeit entzieht (man braucht dann kein Trennmittel). Und in das wird der Ton reingequetscht, das ganze umgedreht und die Form entfernt. Anm. Redaktion: Dann gebrannt.

Voice Over: Unselige Stunden an Forschung stecken in der historischen Technik. 
Wie ist der Ofen aufgebaut und welche Rückschläge hatte Sepp bei seiner Forschung?

FORTSETZUNG FOLGT

Terrakotta ein Baustoff dessen Wert sich mit der Industrialisierung verändert hat. Auf der Schallaburg wird der ursprünglichen Technik und ihrer Kunstfertigkeit neues Leben eingehaucht. Der Restaurator Sepp Uiberlacher hat uns bereits in der letzten Folge von „Terrakotta wie damals“ erklärt, was es damit auf sich hat.

Sepp Uiberlacher: Unsere Zielsetzung ist, dass für die Zukunft wenn man drinnen irgendwelche Teile mal austauschen möchte, dass man das machen kann aus echter Terrakotta.

Sepp Uiberlacher: Wir machen es da mit einem Holzofen, weil in der Renaissance die Teile ja so gebrannt worden sind natürlich. Es hat ja keinen Strom und nichts gegeben. 
Voice Over: Das Motto lautet „zurück zu den handwerklichen Wurzeln.“ So ist Sepp bei seiner Forschung auch zu dem Entschluss gekommen, dass ein alter Holzofen mit der alten Technik auch heute noch die beste Lösung ist.

Sepp Uiberlacher: Weil wenn man es mit Holz brennt, diese Teile einen ganz anderen Charakter kriege: Also ganz eine andere Haptik, andere Optik. Sie sind ein bisschen changierend in ihrer Färbigkeit. 
Voice Over: Der Ofen wurde in derselben Technik gebaut wie es vermutlich schon in der Renaissance gemacht wurde.

Sepp Uiberlacher: Gebraucht werden dazu im Grunde genommen nur Ziegel und Lehmmörtel. Das ist alles. Ganz gewöhnliche Mauerziegel, Lehmmörtel
Voice Over: Doch der Aufbau des Ganzen ist schon etwas durchdachter.
Sepp Uiberlacher: Also der Ofen ist so aufgebaut: Es gibt einen fixen Teil, der bleibt einfach immer stehen. Das ist unten der Feuerraum, also wo das Feuer gemacht wird, wo die Glut geschoben wird.
Sepp Uiberlacher: Auf dem liegt dann eine Schamottplatte mit Löchern. Das ist die sogenannte Lochtenne. Der Schürkanal, wo eingeschürt wird, der bleibt auch immer stehen. Also das ist vorhanden vor jedem Brand. Und auf diese Lochplatte werden die Figuren draufgestellt, dann wird außen mit Ziegeln das ummauert mit oben einem Kamin und das Ganze wird mit Lehmmörtel abgedichtet. Nur es werden ein paar Löcher belassen, erstens sind das Schaulöcher und zweitens für die Sekundärluft mit dem man dann die Ofenatmosphäre steuern kann und ein bisschen die Temperatur regulieren, in Folge.
Voice Over: Eine ganze Menge Arbeit die Sepp hier reinsteckt. Aber es gibt doch heute bereits modernere Öfen die nicht immer neu gebaut werden müssen und beispielsweise mit Strom betrieben werden. Wäre das nicht einfacher?
 

Sepp Uiberlacher: Wenn man in einem Elektroofen brennt, ist die Ofenatmosphäre viel zu gleichmäßig, im Vergleich zu dem, was man in so einem Ofen hat bzw. was die früher gehabt haben in dem Holzofen. Da kriegt man es nie hin, dass es genau die gleiche Temperatur in der linken oberen Ecke hat wie rechts unten. Und in einem Elektroofen hat man das. Jetzt kriegt man ein Teil raus, das perfekt ist. Nur, wenn man sich das vorstellt: Drinnen zwischen den ganzen originalen Renaissanceterrakotten wird das nicht reinpassen. 
Voice Over: Dieser Ungleichmäßigkeit im Ofen und damit auch in den fertigen Teilen ist also sogar erwünscht. Hier wird Imperfekt zu Perfekt.

Voice Over: Bekanntlich kommen aus Italien viele wichtige Erfindungen der Vergangenheit: So auch dieser Ofen. Bei den Etruskern handelt es sich um ein antikes Volk, das seine Ursprünge in Italien findet. Von ihnen trägt der Ofen seinen Namen.
Sepp Uiberlacher: Das ist ja ein ganz einfacher etruskische Lochtennenofen, also seit Urzeiten eigentlich gibt's das Ofenmodell. Und für unsere Zwecke ist der am besten geeignet gewesen.

Voice Over: Um diesen Ofen richtig betreiben zu können und die idealen Temperaturen zu erreichen, musste Sepp auch erst nach dem richtigen Holz suchen.
Sepp Uiberlacher: Holz braucht man, um Glut zu erzeugen und zwar viel Glut. Weil der ganze Feuerraum hinten ausgefüllt sein muss, damit man eine einigermaßen gleiche Temperatur erhält. In den ganzen Ofen - das ist Buchenholz. Mit dem heize ich eigentlich die ganze Phase durch bis auf ca.750/800° und erst dann fange ich mit Fichtenholz an. Mit der Buche komme ich wiederum über die 800° Marke nicht drüber.
Voice Over: Das Fichtenholz danach ermöglicht die nötige Temperatur von 1.100°, um die Figuren zu brenne. 

Aber wie funktioniert das Modellieren und was kann bei dem Brennvorgang danach alles schief gehen?

FORTSETZUNG FOLGT

Rund 1600 Terrakottateile und Figuren schmücken den Arkadenhof der Schallaburg. Hinter jeder Einzelnen steckt eine Menge Arbeit und teilweise eine jahrhundertelange Geschichte. In der letzten Folge hat uns Sepp Uiberlacher bereits erklärt, wie der Ofen funktioniert, indem diese Schmuckstücke gebrannt werden.

Sepp Uiberlacher: Wir machen es da mit dem Holzofen, weil in der Renaissance die Teile ja so gebrannt worden sind. Es hat ja keinen Strom und nichts geben.
Voice Over: Doch bevor die Figur in den Ofen kann, muss sie erst modelliert werden aus reichlich Erfahrung weiß Sepp was hierbei alles zu beachten ist

Sepp Uiberlacher: Das Modellieren läuft so ab, dass ich mir eine Holzplatte als Unterlage bau. Diese unten schon ausnehme, so dass dann später von hinten das Teil abtrocknen kann, das ich aber vorerst mal verschließ und mit Sand die Form vorbaue. Auf auf diesen Sandhügel (wollen wir es so nennen) wird dann der Ton modelliert.

Voice Over: Bevor das modellierte Teil in den Ofen kann, muss es erst trocknen – lange Zeit trocknen.
Sepp Uiberlacher: Bis das wirklich durchgetrocknet ist, das dauert schon ca. zwei Monate. 
Voice Over: Während dieser zwei Monate muss die in der Figur enthaltene Feuchtigkeit völlig gleichmäßig verdunsten. Bei komplexeren Figuren ist das eine echte Challenge.
Sepp Uiberlacher: Bei solchen Sachen wie da, die dünnwandig sind und die sehr exponiert liegen viel viel schneller trocknen als Teile, die in den Vertiefungen drin sind und wo der Ton viel dicker ist … da muss man natürlich schauen, dass man da den Trocknungsprozess verlangsamt und dort beschleunigt, indem man ansprüht oder das Plastik aufmacht.
Voice Over: Ist der Trocknungsprozess ungleichmäßig führt das zu echten Problemen
Sepp Uiberlacher: Ein Ton, der so dick ist, wird naturgemäß außen viel schneller trocknen als im Kern drinnen. Und wenn der außen zu schnell trocknet und der Kern nicht nachkommt innen, dann reißt natürlich außen alles.

Voice Over: Eine besonders knifflige Stelle sind die Proportionen der Figuren. Denn beim Brennen im Ofen schrumpft die Figur. Doch das passiert nicht völlig gleichmäßig.
Sepp Uiberlacher: Wenn wir heute in der Restaurierung sowas aus echter Terrakotta ersetzen wollen, dann müssen wir ein solches Positiv genau nachmodellieren, auf 8% vergrößern, von dem dann die Negativform abnehmen, aus der Negativform dann den Rolling machen, der dann nach dem Brennen genau um diesen Prozentsatz kleiner ist, damit der dort reinpasst.
Voice Over: Sowohl beim Trocknen als auch beim Brennen verliert die Figur an Größe.
Sepp Uiberlacher: Und die Tonmasse die wir da jetzt haben ist 65% abgemagert, schwindet aber trotzdem beim Trocknen um 2 bis 3% und dann nochmal um 5 bis 6% beim Brennen.
Voice Over: Um dieser ganzen Problematik etwas entgegenzuwirken fügt Sepp dem Rohstoff, aus dem die Figuren modelliert werden noch weitere Bestandteile hinzu.
Sepp Uiberlacher: Einfach Ton, der aber abgemagert werden muss. Abmagern heißt, man gibt Bestandteile in den Ton die beim Brennen nicht mehr schwinden. Zum Beispiel Schamotte: das ist bereits gebrannter Ton, also Ziegel, der gemahlen ist, der schwindet beim Brennen nicht mehr. Quarzsand ist ein anderes Magerungsmittel, das man dazugeben kann oder auch Kaolin zum Beispiel.

Sepp Uiberlacher: Ganz am Anfang z.B mein erster Versuch war der, dass ich mir gedacht habe: damit wir mal eine gleichmäßige Temperatur im Ofen gleich am Anfang zusammen kriegen, füll ich den ganzen Brennraum unten mit Holz – möglichst kleines Holz was schnell verbrennt. Dann gebe ich ein bisschen Karton dazwischen damit das schön überall gleichmäßig aufflammt und dann heize ich vorne ein!
Sepp Uiberlacher: Das habe ich dann gemacht und auf einmal hat man dann drinnen die Teile herumfliegen gehört. Das ist alles zerplatzt, das hat es alles zerrissen.
Voice Over: Versuchen, scheitern und immer wieder neu versuchen. Auf diese Weise fand Sepp heraus was bei der Rekonstruktion der Figuren alles zu beachten ist.

Sepp Uiberlacher: Eine zweite Gefahr ist, wenn das Holz zu feucht ist. Erstens komme ich mit der Temperatur nicht hoch, zweitens trocknet mir das drinnen nicht so schnell aus, wie ich es brauche damit ich das Brennen kann. Das sind so bisschen Sachen, auf die man aufpassen muss, dass man es halt möglichst vermeidet. Also: trockenes Holz braucht man – wirklich trockenes Holz – und dass man mit dem Feuer sehr vorsichtig hochfährt, besonders über manche Temperaturmarken drüber.
Voice Over: Es ist bemerkenswert, wenn man sich vorstellt, dass dieser Ofen mit gewöhnlichem Holz betrieben wird und Sepp es trotzdem schafft ganz bestimmte Temperaturen und eine spezielle Atmosphäre zu erzeugen.
Sepp Uiberlacher: Dieser große Riss, den man hier sieht, der hat damit zu tun, dass wir drinnen die Ofenatmosphäre nicht so gesteuert haben, dass die Temperaturschwankungen entsprechend gering waren.
Voice Over: Terrakotta kennt man typischerweise in diesem schönen Rotton. Doch auch dieser ist nicht sichergestellt, wenn Sepp beim Brennen nicht alles richtig beachtet.
Sepp Uiberlacher: Das da ist deshalb schwarzfarben, weil wir reduzierende Atmosphäre im Ofen erzeugt haben, ohne dass wir es eigentlich wollten. Das heißt, wenn bei einer bestimmten Temperatur kein Sauerstoff mehr dazu kommt, dann brennt der Ton nicht rot sondern schwarz.
Voice Over: Doch zurück zur Explosion: Sepp hat uns bereits erklärt, was alles schief gehen kann. Besonders bei so großen Figuren wird das zur Challenge.
Sepp Uiberlacher: Was wir uns da wirklich erarbeiten haben müssen, ist solche dickwandigen Teile wie diese hier – also wir reden da wirklich von Wandstärken bis zu 10 cm – wie man sowas in so einem einfachen Holzofen brennen kann, ohne dass es das zerreißt.

Voice Over: Unzählige Stunden an Forschungsarbeit stecken in den neureplizierten Terrakotten der Schallaburg. Mit viel Leidenschaft hat Sepp Überlacher die Renaissance in die Moderne geholt und dafür gesorgt, dass schon fast vergessen, aber perfekte Techniken wiederentdeckt und für die Nachwelt erhalten werden.