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Was die Leut' wohl dazu sagen?

Die Parabel von Bauer, Sohn und Esel
Informationen zusammengetragen von Maren Waffenschmid

Veröffentlicht am: 29. Juli 2024

  • Lass die Leute reden!
  • Entscheide dich und steht dazu!
  • Es gibt mehr als einen Weg.

Die Aussagen der Parabel von Bauer, Sohn und Esel sind vielfältig. Ziehen Sie selbst ein Learning aus der (Bilder-)Geschichte.

[...] Wer hier in dieser Welt will leben, Der muß sich ganz darein ergeben, Daß er der Welt nichts recht thun kann [...]
So spricht Hans Sachs von Nürenberg, 1531 in 35. Der Waldbruder mit dem Esel.
Ein Polylemma:

Vater, Sohn & Esel

Eine Bildergeschichte

Einst ging ein Mann mit seinem Sohn zum Markt. Er nahm seinen Esel mit und ritt auf ihm; sein Sohn ging nebenher. Da begegneten ihnen Leute, die verwundert sprachen: „Wie kann der Alte reiten und das Kind laufen lassen.? Er sollte besser selber gehen und das Kind aufsitzen lassen.” 

Der Alte richtete sich nach diesen Worten und ließ seinen Sohn reiten. Sie begegneten zwei Männern, und der eine sagte zum andern: „Der Alte ist ein Narr, daß er selbst läuft und den Knaben reiten läßt.”

Nun setzte sich der Vater zu seinem Sohn auf den Esel. Als sie wieder Leute trafen, sagten die: „Um Gottes willen, die beiden reiten den Esel zuschanden!” 

Nun stiegen beide ab und liefen neben dem Esel her. Da kamen Männer und Frauen und sagten: „Schaut diese Torheit: da läuft der alte Mann mit seinem Sohn, und den Esel lassen sie ledig gehen!” 

Da sprach der Vater: „Wir wollen nun beide den Esel tragen; ich möchte wissen, was die Leute dazu sagen.” Sie banden dem Esel die Beine zusammen und trugen ihn auf einer Stange. Die Leute sagten: „Man sieht, daß beide Narren sind.” 

Da seufzte der Alte und sprach zu seinem Sohn: „Wie wir es auch gemacht haben, keinem war es recht. Darum rate ich dir, immer das Richtige zu tun; dann wirst du selig werden.” 

Wer in Ehren bestehen will, soll sich durch Gerede nicht irre machen lassen. Was man auch Gutes tut, der Welt ist es nicht gut genug. 

Quelle: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (HAB); URL: https://www.hab.de/ausstellungen/ma-erzaehlt/ma13.htm nach Ulrich Boner: Der Edelstein, 1. Auflage. Bamberg, Albrecht Pfister, 1461

Hans Wilhelm von Losensteins

Lieblingsgeschichte?

6 Terrakotta-Bilder für den Großen Arkadenhof

Die Geschichte von Vater, Sohn und Esel – in der Literatur wird sie manchmal als Metapher oder Fabel bezeichnet – erhielt in den 1570er Jahren von Hans Wilhelm von Losenstein viel Platz bei der visuellen Gestaltung des Arkadengangs im Großen Arkadenhof. Während alle anderen Geschichten mit nur einem Bild angedeutet wurden und die Zeitgenossen sich die Legenden aus ihrem Wissensschatz erzählten, wurde die Parabel von Vater, Sohn und Esel im Großen Arkadenhof mit 6 bzw. 7 Bildern vollständig visualisiert. Der Vergleich mit der Geschichte aus der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel von 1461 zeigt, wie sich die Bilder der Schallaburg unterscheiden. Besonders am Schluss variiert die Erzählungen ein wenig. Denn Hans Wilhelm von Losenstein entschied sich für die dramatische Variante, wo Vater und Sohn den Esel am Ende ertränken. Damit haben sie durch die Einflussnahme von außen ihr Hab und Gut verloren, was die Moral der Geschichte umso deutlicher macht.

Doch aus welchem Grund räumt Hans Wilhelm von Losenstein dieser Erzählung so viele Terrakotta-Reliefs in seinem Bildprogramm ein? 
Unter Umständen wurde die Geschichte von Vater, Sohn und Esel in Niederösterreich nicht sehr oft oder nicht in dieser Variante erzählt und Hans Wilhelm von Losenstein konnte deshalb diese nicht nur mit einem Bildnis anteasern und hoffen, dass seine Gäste die Legende wussten. Heute würden wir uns wünschen, dass er auch für Erzählungen wie „Susanna im Bade", die Herkules-Sagen oder die Geschichte von „Damokles und seinem Schwert" mehr Terrakotta-Abbildungen hätte erschaffen lassen, damit wir seine Variante dieser Geschichten kennen würden.
Im Fall von Vater, Sohn und Esel könnte es jedoch auch sein, dass Hans Wilhelm von Losenstein die Geschichte und besonders die darin enthaltene Weisheit so wichtig empfand, dass er hierfür die gesamte Westseite des Arkadengangs reservierte. Die Bildergeschichte ist übrigens besonders im Hintergrund sehr detailliert ausgearbeitet. Schauen Sie sich die Fotos einmal genau an: Sehen Sie, wie sich der Hintergrund und auch die dort erscheinenden Menschen ändern? Manchmal sieht man ein Schloss oder eine Burg, einen Menschen mit Helm, eine Frau oder Männer, die miteinander über Vater, Sohn und Esel reden. Diese Liebe zum Detail könnte darauf deuten, wie wichtig Hans Wilhelm gerade diese Komponente war. 

„Lass dir nichts von den Leuten einreden, du könntest sonst dich selbst (oder alles) verlieren!" würde auch zur Lebenseinstellung von Hans Wilhelm passen. Denn obwohl ihm sein Vermächtnis wichtig war – nicht zuletzt deshalb, so wird angenommen, hat er noch zu seinen Lebzeiten Tumba und Eptaph (Grabinschrift) erschaffen lassen – gestaltete er die Schallaburg mit neuen Trends und war dabei vor allem auf die Innengestaltung fokusiert. 

Die einzelnen Bauphasen und ihre Bedeutung lesen Sie im Beitrag von Renate Holschuh-Hofer Bild gewordenes Manifest: Die Schallaburg im 16. Jahrhundert des „großen Schallaburg-Buches" Die Schallaburg. Geschichte. Archäologie. Bauforschung nach.

Und woher kannte Hans Wilhelm von Losenstein die Geschichte von Vater, Sohn und Esel?

© Die Geschichte vom Esel: Der Bauer und sein Sohn ertränken den Esel von Hans Schäufelin (Künstler_in) - Albertina, Austria - Public Domain. https://www.europeana.eu/item/15508/DG1937_275

In 2 der Themen- & Spezialführungen Renaissance im Fokus sind die Tiere bzw. Mythen des Großen Arkadenhofes Teil des recherchierten Schwerpunktthemas.

  • Am 15. August & 28. September 2024 berichtet Ihnen Georg Clam-Martinic mehr über die Tiere auf der Schallaburg.
  • Am 17. August & 21. September erzählt Dagmar Ille alles über Herkules, Esel und viel Drama. Die griechische Mythologie im Arkadenhof der Schallaburg.

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Überlieferung von Erzählungen

Woher die Geschichte kam?

Kulturgeschichtliche Mythen existieren schon seit Beginn der Menschheitsgeschichte. Lange Zeit wurden die Erzählungen mündlich überliefert und galten als allgemeines Kulturgut ohne Autor. Erst mit den beginnenden Aufzeichnungen im Mittelalter und die Verbreitung von Märchen und Legenden mittels Buchdruck in der Renaissance, lassen erste Erzähler namentlich erkennen. Die Parabel von Vater, Sohn und Esel scheint über den Orient zu uns gekommen zu sein. Einige schriftliche Quellen aus dem 14. Jahrhundert schreiben sie dem osmanischen Geschichtenerzähler Hodscha Nasreddin zu. Dabei erzählt er die Anekdoten, schwankhafte Geschichte oder humorvolle Ereignisse aus einer Ich-Perspektive, die zu dieser Zeit auch in den Verschriftlichungen festgehalten wurden, wie das Eingangszitat von Hans Sachs zeigt. Nasreddins Erzählungen sind in der Renaissance von Italien bis Indien bekannt. Sie werden von Mönchen wie Ulrich Boner (1280-?) in Fabelsammlungen (Der Edelstein) zusammengefasst und mit Holzschnitten illustriert. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel). 

Von Zeitgenossen werden die Geschichten – ganz in der Tradition der mündlichen Überlieferung – auch umgestaltet, ausgeschmückt und weitererzählt. Vermutlich kommen so die Quellen zustande, durch welche die Geschichte von Vater, Sohn und Esel in die ausgewählten poetischen Werke des Hans Sachs (von Nüremberg) unter dem Titel „Der Waldbruder mit dem Esel" Eingang fand. Sie können diese im Projekt Gutenberg nachlesen.
Übrigens gibt es in der Albertina eine Graphik-Serie von Hans von Schäuffelin (1485-1540), die das Thema der Geschichte von Vater, Sohn und Esel zum Inhalt hat. Sie finden die Zeichnung des Künstlers digitalisiert unter diesem Link.

Der Maler, Holzschneider und Buchillustrator Schäuffelin geboren in Nürnberg war ein paar Jahre sogar in der Werkstatt von Albrecht Dürer tätig und schuf unter anderem zahlreiche Holzschnitte im Auftrag von Kaiser Maximilian I. (1459-1519). Als Zeitgenosse von Hans Sachs (1494-1576) dürfte er die Geschichte von diesem Meistersinger gekannt haben. Besonders, da auch Flugblätter von diesem Schwankgedicht im Umlauf waren, wie eine Quelle von Wikimedia zeigt. 

Im süddeutschen Raum war die Geschichte von Vater, Sohn und Esel also zur Zeit, in der Hans Wilhelm von Losenstein (1542-1601) während seiner Kavalierstour 16-jährig dortin reiste – er besuchte auf jeden Fall Regensburg und Augsburg –, in der Variante von Hans Sachs bekannt. Vergleichen Sie einmal die Hintergrund-Darstellungen von Hans Schäufflins Werk mit dem der Schallaburg! Fallen Ihnen Ähnlichkeiten auf?

Übrigens wird die Geschichte auch heute noch erzählt. Peter Alexander (1926-2011) vertonte die Parabel 1974 und hatte damit einen Hit. Hören Sie doch Mal auf YouTube in den Song „Der Esel, der Bauer und sein Sohn".

© Gruppe Gut
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